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Verdauungssystem

Um den relativ unverdaulichen Hauptbestandteil der Ernährung, nämlich das Gras, richtig zu verwerten, besitzt das Pferd ein ganz spezielles Verdauungssystem. Nur zwischen acht und fünfzehn Liter faßt der Magen, dort und im Dünndarm wird das Gras vorverdaut. Die Hauptverdauung wird jedoch vom Dickdarm geleistet, der 80 bis 130 Liter faßt. Im Dickdarm leben Bakterien, welche die Zellulose und andere harte Bestandteile des Grases in lösliche Fettsäure umwandeln, die vom Körper aufgenommen werden kann. Auch im Blinddarm findet ein Teil der Verdauung statt. Um die starke Abnutzung beim Kauen auszugleichen, wachsen die Zähne des Pferdes während seines ganzen Lebens nach. Die sehr bewegliche Zunge befördert das von den Schneidezähnen aufgenommene Gras oder Futter zu den Backenzähnen, wo es mit großen Mengen Speichel versetzt wird. Mit weiteren Verdauungssäften durchwandert sodann das Futter den gesamten Verdauungstrakt und wird letztlich, nachden die gelösten Nährstoffe entnommen sind, wieder ausgeschieden.

Atemsystem

Der hochentwickelte Atemmechanismus des Pferdes versorgt die Muskeln mit Sauerstoff und schafft damit die Grundlagen für Geschwindigkeit und Ausdauer. Die Innenfläche einer Pferdelunge, also der Bereich, der Sauerstoff aufnimmt, beträgt etwa 2.500 Quadratmeter. Dagegen hat ein Mensch lediglich zwischen 90 bis etwa 150 Quadratmeter. Pferde können wegen des langen Gaumensegels nicht durch das Maul, sondern nur durch die Nüstern atmen. Die oberen Atemwege und die Luftröhre sind demgemäß ausreichend groß. Durch die mit den Atemwegen verbundenen Nebenhöhlen und die zwei Luftsäcke, die beiderseits des Kehlkopfes liegen, ist der Kopf des Pferdes relativ leicht. Im Galopp können Pferde nur rythmisch mit der Bewegung atmen, sie atmen ein, wenn die Vorderbeine nach vorn gestreckt sind.

Geschwindigkeit, Ausdauer

Die Entwicklung der Geschwindigkeit und Ausdauer des Pferdes ergab sich aus den beiden wichtigsten Bedürfnissen, nämlich vor Gefahr schnell flüchten zu können und zur Nahrungssuche weite Strecken auf meist hartem Boden zurückzulegen. Die Länge der Beine ermöglicht hohe Geschwindigkeit; das Auffußen auf dem Huf strengt weniger an, fördert andererseits die Trittsicherheit. Die großen Muskeln, welche die Beine bewegen, sitzen weit oben, ihre Kraft wird durch ein leistungsfähiges Sehnensystem übertragen. Kopf und Körper bieten dem Wind nur wenig Widerstand. Gewicht und Erschütterung bei schneller Fortbewegung wird von der Vorhand, den Muskeln der Schulterblätter und den Sehnen und Bändern der Vorderbeine aufgefangen. Im Hinterbein arbeiten Knie und Sprunggelenk zusammen, weil sie durch Muskeln und Bänder miteinander verbunden sind, und wirken damit gleichfalls als Stoßdämpfer. Dadurch wird die relativ unbewegliche Wirbelsäule wesentlich entlastet.

Gangarten

Grundsätzlich haben Pferde vier unterschiedliche Gangarten. Es sind im einzelnen der Schritt, der Trab, der Galopp und der Renngalopp. Beim Schritt werden die Hufe regelmäßig aufgesetzt in der Reihenfolge links vorn, rechts hinten, rechts vorn, links hinten. Beim Trab werden die diagonal gegenüberliegenden Beinpaare gleichzeitig nach vorn gebracht, die Fußfolge ist links vorn und rechts hinten, rechts vorn und links hinten. Beim Galopp führt ein Vorderbein, während das andere und das schräg gegenüberliegende Hinterbein gleichzeitig vorschwingen und das andere Hinterbein dann folgt. Fußfolge rechts hinten, links hinten und rechts vorn, links vorn; nach dem Abheben des führenden Vorderbeines folgt die Schwebephase. Im Renngalopp verlängern sich die Sprünge und die Schwebephase; durch die Schnelligkeit können die Hufe nicht mehr diagonal auffußen, was zur Fußfolge rechts hinten, links hinten kurz vor rechts vorn, gefolgt von links vorn, führt (beide Galoppfußfolgen im Linksgalopp). Im Galopp führt eines der Vorderbeine, bei Wendungen meist das innere. Da das führende Vorderbein mehr arbeitet und Gewicht trägt, springen beanspruchte Pferde manchmal um.

Gesichtsfeld

Durch die großen, vorstehenden Augen seitlich am Kopf haben Pferde ein großes Gesichtsfeld, ohne den Kopf bewegen zu müssen. Andererseits ist die beidäugige Sicht sehr begrenzt, weshalb Entfernungen vom Pferd nur schwer abgeschätzt werden können. Im Gegensatz dazu erkennen sie ohne jede Schwierigkeit weit entfernte bewegliche Objekte. Um Unbekanntes besser zu sehen, bewegt das Pferd den Kopf so, daß es mit beiden Augen das Objekt sehen kann. Das Gesichtsfeld hat zwei tote Winkel; der eine liegt natürlich direkt hinter dem Pferd, der andere unmittelbar vor der Nase. Das heißt also, daß ein Pferd das Ende seines Kopfes, Maul und Nüstern, nicht sehen kann. Dafür besitzt es zum Untersuchen aller Gegenstände direkt vor dem Maul Tasthaare.

Ohren

Die außerordentlich beweglichen und unabhängig voneinander drehbaren Ohren des Pferdes decken volle 360 Grad ab, so daß Geräusche aus allen Richtungen aufgefangen werden, ohne daß das Pferd sich bewegen muß. Mit ihrem hochentwickelten Hörvermögen können Pferde den Ursprung von Geräuschen erheblich besser orten und nehmen auch höhere Töne wahr als der Mensch. Außerdem unterscheiden sie nicht nur den Tonfall, mit dem man sie anspricht, sondern auch einzelne spezielle Wörter.

Sonstige Sinnesorgane

Der besonders gut entwickelte Geruchs- und Geschmackssinn des Pferdes ermöglicht ihm, verschiedene Pflanzen auf der Weide zu unterscheiden. Es merkt sofort, wenn im Futter Medizin enthalten ist oder ihm Futter vorgeschüttet wird, das es nicht mag. Das Beschnuppern fremder Pferde oder deren Exkremente ist wichtig für das Sozialverhalten; es läßt die Stute das Fohlen (und umgekehrt) wiedererkennen.

Der Tastsinn ist ebenfalls wichtig. Das Pferd benutzt die empfindliche Nase mit den langen Tasthaaren, um fremde Gegenstände zu untersuchen.

Pferde können außerdem vermutlich auch Vibrationen im Boden wahrnehmen und ihre Herkunft bestimmen, sofern sie ihnen bekannt ist.